Genealogia Bononiensis

Die "Genealogia Bononiensis" (GB) ist eine Sammlung mittelalterlicher bolognesischer Familien in Form von Stammtafeln. Diese Stammtafeln sind die optische Darstellung der in der Prosopographia Bononiensis Medii Aevi gesammelten Belege zu Personen und Familien. PB und GB stellen somit die Fortsetzung, Korrektur und Belegstellensammlung für meine Doktorarbeit (Wandruszka, 1993) dar. Ziel ist es, eine wissenschaftlich begründete Genealogie zu erarbeiten und dem interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen. Die Familien bzw. Sippen (Consorterien) werden alphabetisch geordnet in Stammtafelform dargeboten.
Die "Genealogia Bononiensis" kann und will nicht jede Person sowie die Zusammenstellung von Familien vollständig belegen. Es geht darum, die genealogischen Rekonstruktionen von z.T. völlig unbekannten Familien überhaupt erst einmal zugänglich zu machen.

Zeitlicher Rahmen

Im wesentlichen beginnen die Consorterien mit dem Einsetzen einer vermehrten Schriftlichkeit und neuartiger Quellengattungen, die einen Zugriff auf breitere Bevölkerungskreise ermöglichen, d.h. seit dem 12. Jahrhundert. Sachlich bietet die Entstehung des Familiennamens seit der Mitte des 12. Jh. einen Zugriff auf "Familien" bzw. "Consorterien", d.h. auf agnatisch strukturierte Personenverbände (vgl. Wandruszka, 1995). Die neuartigen "Massenquellen" des 13. Jh. (Steuerlisten, Herdstellenverzeichnisse, Leibeigenenverzeichnis, Adelsregister) bieten die Möglichkeit, solche Gruppen immer genauer zu verfolgen.
Wo durch günstige Quellenlage möglich, werden Familien aber auch weiter zurück verfolgt. Diese vor dem 12. Jh. liegenden Recherchen sind aufgrund fehlender Familiennamen und fehlender Massenquellen ganz anders geartet und stehen deshalb hier nicht im Zentrum (vgl. dazu Lazzari, 1998 und Grebner, 2000)
Die zeitliche Grenze bildet etwa die Mitte des 14. Jahrhunderts, ein Zeitpunkt, zu welchem die Quellen immer umfangreicher werden und kaum von einzelnen Personen umfassend bearbeitet werden können. Die genaue Zeitgrenze ergibt sich durch die Steuersummenregister von 1330 bzw. die Steuerlisten von 1329, welch letztere aber erst im Ansatz eingearbeitet sind. Eine weitere Massenquelle, die geeignet wäre, eingearbeitet zu werden, sind die "Venticinquine" von 1325, also die Erfassung aller wehrfähigen Männer (vgl. zu beiden Quellen Pini, 1996). Die zeithistorische Grenze bildet die schwarze Pest von 1348. Viele Familien existieren nach diesem Zeitpunkt nicht mehr, die überlebenden verändern sich stark (Reduzierung einstmals weitverzweigter Consorterien auf wenige Familien oder Zweige). Die "GB" bietet also die Möglichkeit, demographische, besitzgeschichtliche und mobilitätsgeschichtliche Faktoren vor und nach dieser "Wende" zu vergleichen oder zu verfolgen.

Methodischer Rahmen

Es ist nicht das Ziel - und auch nicht möglich - , die gesamte Bevölkerung Bolognas zu erfassen. Vielmehr wurde versucht, die "Oberschichten" - d.h. politisch wie materiell (Besitz) wichtigen Familien zu erfassen, des weiteren Mittelschichtsangehörige, soweit sie sich in den Quellen fassen ließen, insbesondere, wenn sie zu später wichtigen Familien gehören. Da die vorhandenen Quellengattungen einen Zugriff vor allem nur auf solche irgendwie "wichtigeren" Familien freigeben, ist die Auswahl der Familien einseitig. Von den Unterschichten bietet nur der Liber Paradisus von 1256 die Möglichkeit, eine Gruppe - hier die Leibeigenen - ausführlich zu erfassen, jedoch nur punktuell (Jahr 1256), nicht jedoch über mehrere Generationen. Die Mittelschichten könnten breiter durch die Steuerlisten erfaßt werden.
Im Zentrum stehen die städtischen Gruppen, jedoch auch die Oberschichten (i. d. R. der Adel) des bolognesischen Contado. Hier wurde besonders auf das "Inurbamento" geachtet, d.h. die Art und Weise der Integration (Umsiedlung) ländlicher Familien in die Stadt.

Methodischer Aufbau der Sammlung

Die Stammtafeln sind folgendermaßen aufgebaut:

-  Die römischen Zahlen am linken Rand stehen für die Generationenabfolge, von oben nach unten.
-  Die durchgezogenen Linien bezeichnen urkundlich gesicherte Filiationen (Abstammungsverhältnisse). Urkundlich gesichert bedeutet, daß ein Verwandtschaftsverhältnis zweier Personen explizit angegeben wird (z.B. in einem Testament filia mea), oder daß sich dieses Verwandtschaftsverhältnis erschließen läßt, etwa durch Angabe einer Patronymreihe. Denkbar ist auch der Fall, daß eine Person A als Bruder/Schwester einer Person B bekannt ist, aber nur für Person A Vater/Mutter genannt wird. Somit wird für Person B die Eltern erschließbar. Gesicherte Verhältnisse sind auch Angaben wie Neffe/Nichte, ohne daß Vater/Mutter des Neffen/Nichte bekannt geworden ist. Die unbekannten Elternpersonen werden als N.N. bezeichnet.
Gestrichelte Linien bedeuten ein plausibles oder vermutetes Verwandtschaftsverhältnis, das nicht urkundlich belegt ist.
Gar keine Linie zwischen zwei Personen bedeutet, daß man keine Vermutung anstellen kann, aber beide Personen zu einer Familie gehören müssen und zumindest zeitlich in der Generationenfolge zugeordnet werden können.
-  Hervorgehobene Personennamen sind der Eponymus (Fettdruck), der Träger des Quasi-Cognomens (kursiv) und der Träger des FN IIIa3 (fett kursiv)
-  Die Jahresangaben zu einer Person, z.B. 1248-1259 bedeuten, daß eine Person urkundlich zwischen 1248 und 1259 mehrere Male (mindestens drei Mal) genannt wurde. Die Angabe 1270, 1282 bedeutet, daß die Person zweimal genannt wird. (1281) bedeutet, daß dieses Datum evtl. einer gleichnamigen, aber verschiedenen Person zugeordnet werden könnte. Die Angabe qd. steht für quondam (verstorben), also das Jahr, in welchem die Person sicher nicht mehr lebt. Bekannte Geburts- und Sterbedaten werden mit * (geboren) und + (gestorben) versinnbildlicht.
1295 ⚭ bedeutet, daß eine Person in diesem Jahr mit einer anderen verheiratet war, ohne zu wissen, wann genau vorher diese Personen geheiratet haben. Ist das Heiratsjahr dagegen bekannt, wird dies so vermerkt: ⚭1295.
Mehrere Heiraten werden untereinander angegeben und durchgezählt : a) ... b).
Ist bekannt, welches Kind aus welcher Ehe stammt, wird dies mit dem entsprechenden Buchstaben (a oder b) über dem Personennamen des Kindes angegeben.
-  Zusätzliche Angaben sind Berufsangaben (insbesondere Not. für Notar und cons. com. für consul comunis; c.i/mi. für consules/milites iustitie) sowie der Hinweis auf das Dizionario Biografico degli Italiani (DBI), wenn eine Biographie zur betreffenden Person vorliegt.
T. bedeutet: Testament der betreffenden Person vorhanden. Urkundlich bekannte Namensvariationen werden angegeben und durch / getrennt. Die Angabe n. 1268 bedeutet, daß die entsprechende Quelle nicht genau datierbar ist, aber "nach 1268" entstanden ist.
-  Das Klammerzeichen [4] bedeutet, daß die entsprechende Person 1256 über Leibeigene verfügte, in diesem Fall vier.
Ist diese Zahl als Bruch, z.B. [6/3] angegeben, bedeutet das, daß eine Person zusammen mit zwei anderen 6 Leibeigene gemeinsam besessen hat, also rechnerisch nur 6/3, das sind 2 Leibeigene. Die Angabe in Bruchform ist günstiger, wenn sich keine ganzen Zahlen ergeben würden. Diese Angaben soll den Bezug zur Analyse der Leibeigenenbesitzer herstellen und auf einen Blick ermöglichen, wer wieviel Leibeigene besessen hat.
-  Immer wiederkehrende Personennamen, also gleichnamige Personen werden chronologisch mit römischen Zahlen in runder Klammer durchnummeriert, um zum einen Leitnamen zu erfassen und zum anderen, um eine Diskussion über evtl. strittige Zuordnung einzelner Daten zu einer von mehreren gleichnamigen Personen zu ermöglichen.

Auf einer Seite können ca. 5 bis 6 Generationen angegeben werden. Ist die Familie/Consorteria größer, wird mit einem Pfeil und der Tafelnummer auf eine folgende Tafel verwiesen, wo die Fortsetzung der Stammtafel erfolgt. Dies ist bei gut dokumentierten und dann sehr großen Consorterien der Fall, etwa den de Ariostis mit 12 Seiten. Die Wiedergabe auf kleineren, dafür evtl. mehreren Tafeln hat den Vorteil, daß die Formate der Tafeln übersichtlich und in der Nähe eines nicht zu großen Buchformats bleiben.